Grab N13.1

Inhaber und Familie:

Iti-ibi(-iqer) war Nomarch, General des gesamten 13. oberägyptischen Gaus, Vorsteher der Priester des Upuaut und Vorsteher der Priester des Anubis.
Alle Familienmitglieder tragen als Namenszusatz meistens das Epitheton jqer „trefflich“. Sein Vater war sehr wahrscheinlich der im Grab dargestellte Cheti(-iqer), welcher mit Cheti II. (Inhaber von Grab IV) identisch sein dürfte, seine Mutter, die zweimal dargestellt ist, hieß ebenfalls Iti-ibi. Iti-ibi(-iqer)s Frau ist Senebti(-iqeret), sein Sohn Mesehti(-iqer) vollendete laut einer Inschrift das Grab für seinen Vater (El-Khadragy 2007 und 2012).

Datierung:

Die Fertigstellung der Dekoration durch Mesehti(-iqer) fällt in das Ende der Ersten Zwischenzeit / 11. Dyn. unter Mentuhotep II.-Nebhepetre, zwischen sein 14. und 39. Regierungsjahr (El-Khadragy 2007), bzw. um 2030 v. Chr. (Kahl 2007).

Forschungsstand:

Das Grab wurde am Ende der Kampagne 2005 vom Asyut Project entdeckt. Es war vor dem Eingang und im Inneren stark verschüttet. Keiner der frühen Reisenden oder Archäologen, die Assiut besucht oder dort gearbeitet haben, haben dieses Grab je erwähnt.
Das Grab und seine drei Schächte wurden 2006 und 2007 freigelegt. Nach der Restaurierung erfolgte die Dokumentation der Originaldekoration durch Faksimile-Zeichnungen (Sameh Shafik, Ilona Regulski, Kollationierung: Eva Gervers) und Photographien (Fritz Barthel). Ein ausführlicher Beitrag zur Dekoration liegt vor (El-Khadragy 2007), die vollständige Bearbeitung ist in Vorbereitung (M. El-Khadragy, E. Gervers, U. Dubiel).
Parallel dazu wurden Faksimiles der sekundären Besucherinschriften (Ursula Verhoeven) und -zeichnungen (Eva Gervers) erstellt, die in den folgenden Jahren mehrfach kollationiert (Ursula Verhoeven, Svenja A. Gülden, Eva Gervers) und fotografiert wurden (Jochem Kahl 2006, Fritz Barthel 2007, 2014, 2017, weitere durch die Bearbeiterinnen). Inzwischen liegen alle Texte in digitaler Umzeichnung vor (Svenja A. Gülden). Die vollständige Bearbeitung ist in Vorbereitung (Ursula Verhoeven unter Mitarbeit von Svenja A. Gülden; Eva Gervers; Youssef Mohammed).

Beschreibung der Grabanlage:

Das Felsgrab N13.1 liegt auf der geologischen Stufe 7 des Gebel Assiut el-Gharbi und etwa 30 m oberhalb des großen Grabes III (N12.1, Iti-ibi). Die Eingangsfassade ist undekoriert, eine einstmals hohe, schmale Tür (Abb. 1) führt in einen Raum mit etwa 80 qm Grundfläche (Abb. 2), zwei Pfeilern, einer Nische in der Westwand und drei bis zu 8 m tiefen Schächten (Abb. 3). Alle Wände waren ursprünglich vollständig stuckiert und mehrfarbig bemalt.
In dem noch erhaltenen Teil der östlichen Wände sind vier Reihen von Soldaten hinter dem Grabherrn dargestellt. Auf dem anschließenden Teil der Südwand sieht man den Grabherrn und seine Mutter vor seinem Vater Cheti(-iqer) (= Cheti II., Inhaber von Grab IV/N12.2), in der Mitte beim Vogelfang mit der Feldgöttin Sechet, im westlichen Teil beim Speeren von Fischen vom Boot aus (Abb. 4). Auf der Westwand wird er im südlichen Teil beim Betrachten von Stierkämpfen und Handwerkern gezeigt, im nördlichen Teil in einem Kiosk sitzend, daneben sind Bootsfahrten, Musiker und Kranichfütterung dargestellt. Zwischen der Scheintür und den Opferlisten in der Nische der Westwand ist seine verstorbene Mutter Iti-ibi vor einem eigenen Opfertisch dargestellt. In den Darstellungen der westlichen Nordwand reicht die Hathorpriesterin Senebti(-iqeret), ihrem Mann Iti-ibi(-iqer) Halskette und Sistrum. Im östlichen Teil der Wand inspiziert der Grabherr Rinderherden und militärische Aktivitäten. Auf den beiden Pfeilern ist er in verschiedenen Haltungen und Darstellungsarten zu sehen, einmal in Begleitung seiner Frau (El-Khadragy 2007).
Auf der Terrasse vor dem Grabeingang wurden ca. 90 Schächte freigelegt (Abb. 1), die z. T. noch ungestörte Bestattungen vom Ende des Alten Reiches bis ins Mittlere Reich enthielten. Die nach Osten blickenden, in seitlicher Hockerstellung liegenden Leichname verschiedenen Alters und Geschlechts waren in Körben, Matten oder Holzsärgen beigesetzt, als Beigaben fanden sich vor allem Kopfstützen, Gefäßständer, Näpfe und auch Früchte (Becker 2015).

Bibliographie:

Veröffentlichungen des The Asyut Project zu Grab N13.1 (in chronologischer Reihenfolge):

  • Becker, Meike, Work on the finds from the shaft burials from Stage 7 in the magazine of Shutb, in: Jochem Kahl et al., The Asyut Project: Eleventh Season of Fieldwork (2014), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 44, 2015, 139-144.
  • El-Khadragy, Mahmoud, The Nomarchs of Asyut During the First Intermediate Period and the Middle Kingdom, in: Jochem Kahl, Mahmoud El-Khadragy, Ursula Verhoeven & Andrea Kilian (Hgg.), Seven Seasons at Asyut. First Results of the Egyptian-German Cooperation in Archaeological Fieldwork. Proceedings of an International Conference at the University of Sohag, 10th-11th of October, 2009  (The Asyut Project 2), Wiesbaden 2012, 33-39 mit Fig. 4-6.
  • Kahl, Jochem & Ursula Verhoeven, „Dornröschen“ ist erwacht, Das neu entdeckte Grab N13.1 in Assiut, in: Sokar 16, 2008, 68-73 mit Abb. 1-10.
  • El-Khadragy, Mahmoud, Some Significant Features in the Decoration of the Chapel of Iti-ibi-iqer at Asyut, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 36, 2007, 105-135 mit Fig. 1-20, Tf. 1-5.
  • Kahl, Jochem, Ancient Asyut. The First Synthesis after 300 Years of Research (The Asyut Project 1), Wiesbaden 2007, 79-82 mit Fig. 57-60.

 

Sekundäre epigraphische Zeugnisse in Grab N13.1 (Graffiti bzw. Dipinti)


Etwa 500 Jahre nach Fertigstellung des Grabes begannen Besucher, in freien Feldern der ursprünglichen Dekoration Texte und Zeichnungen zu hinterlassen: 150 hieratische und hieroglyphische Dipinti (d. h. mit Tusche angefertigte Graffiti) sowie 50 Zeichnungen von Tieren (Abb. 5), Menschen und Gottheiten aus der frühen 18. bis zum Ende der 20. Dynastie (Verhoeven 2012). Am häufigsten werden Besuche der lokalen Tempel des Upuaut von Siut, der Hathor von Medjeden (Abb. 6) und des vergöttlichten Djefai-Hapi (Besitzer von Grab I/P10.1; vgl. Kahl, in: SAK 41, 2012) bekundet, einmal auch die Tempel von Osiris und Anubis im Nekropolenbereich. Daneben finden sich historische Vermerke (unter Amenophis III., Ramses III. und XI.), Bitten an Gottheiten und Erinnerungen an die „trefflichen Totengeister“ der Vorfahren Cheti und Iti-ibi. Die Schreiber formulierten auch Opferformeln für sich selbst, Anrufe an Lebende, Briefe, Signaturen bzw. Selbstrepräsentationen sowie Sätze erotisch-satirischen Inhalts. Sowohl bei den Texten als auch bei den Zeichnungen ist zu beobachten, dass die Schreiber die Originaldekoration respektierten und z. T. als Vorbild nahmen, sich manchmal gegenseitig kopierten oder inspirierten, und Schreib- und Zeichenübungen durchführten. Die genannten Textarten kommen auch in anderen Denkmälern Ägyptens als Hinterlassenschaften von schreibkundigen Besuchern vor, allerdings finden sich nur in Grab N13.1 außerdem kurze bis umfangreiche Auszüge von berühmten literarischen Werken, die in der Epoche des Neuen Reiches als Schultexte weit verbreitet waren, sowie Kolophontexte, mit denen Schreiber ihre vorlagengetreuen Abschriften bekundeten. Im Einzelnen sind Textauszüge aus der Lehre des Hordjedef, Lehre des Amenemhet <U. Verhoeven, Tomb N13.1: The Teaching of Amenemhat I (§1-2) on pillar B, in: J. Kahl, M. El-Khadragy, U. Verhoeven et al., The Asyut Project: Ninth Season of Fieldwork, in: SAK 41, 2012, 206-209 mit Fig. 21.>, Lehre des Cheti, Lehre eines Mannes an seinen Sohn, (Loyalistische) Lehre des Kairsu, aus der Prophezeiung des Neferti, dem Hymnus an die Überschwemmung und dem Schulbuch Kemit vorhanden <U. Verhoeven, Literatur im Grab - Der Sonderfall Assiut, in: G. Moers et al. (Hgg.), Dating Egyptian Literary Texts, Lingua Aegyptia - Studia Monographica 11, Hamburg 2013, 139-158 (mit 6 Farbtf.)>. Zudem findet sich ein mehrstrophiges Gedicht oder Lied über die „Schönheit des Gesichts dieser Herrin“ (gemeint ist wohl Hathor), das bislang einzigartig ist.
Der Befund liefert aus verschiedenen Gründen neue Erkenntnisse: Die ungewöhnliche Vielfalt und Breite an Textgattungen überliefert einen Einblick in das Wissen und die religiösen Vorstellungen der assiutischen Schreiber- und Priesterschicht des Neuen Reiches, von der – im Gegensatz zu der von Theben – bislang wenig bekannt war (ein Besucher kam im Übrigen aus der Oase Dachla). Die literarischen Textquellen sind für manche Detailfragen sehr aufschlussreich, so hat sich hier z. B. erstmals der Name des Autors der sog. Loyalistischen Lehre (Wesir Kairsu) erhalten. <U. Verhoeven, Von der „Loyalistischen Lehre“ zur „Lehre des Kairsu“ - Eine neue Textquelle in Assiut und deren Auswirkungen, in: ZÄS 136/1, 2009, 87-98 mit Tf. XII.> Es hat sich zudem gezeigt, dass der Tempel bzw. das Grab des vergöttlichten Djefai-Hapi ein wichtiger Anziehungspunkt war < Kahl, Jochem, Regionale Milieus und die Macht des Staates im Alten Ägypten Die Vergöttlichung der Gaufürsten von Assiut, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 41, 2012, 163-188> und dass bereits unter Ramses III. lebende Schakale im Bereich des Upuaut-Tempels gehalten wurden <U. Verhoeven, Tomb N13.1: more literary graffiti and the title „scribe of the estate of jackals', in: J. Kahl et al., The Asyut Project: Seventh Season of Fieldwork (2009), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 39, 2010, 196-198>.
Jüngere Graffiti wurden erst wieder in islamischer Zeit (möglicherweise bereits ab dem 7. Jh.) hinzugefügt, als das Grab zu einem Mausoleum für einen muslimischen Heiligen umfunktioniert wurde. Neben zwei großen, rot gemalten Mihrabs mit Koransprüchen (Abb. 4) finden sich Besuchertexte (u. a. aus dem 19. Jh.), literarische und religiöse Sprüche und Zeichnungen.

(Ursula Verhoeven)

Bibliographie:

  • Veröffentlichungen des The Asyut Project zu den sekundären epigraphischen Zeugnissen in Grab N13.1 (in chronologischer Reihenfolge):Verhoeven, Ursula (Hg.), Dipinti von Besuchern des Grabes N13.1. Teil 1: Ursula Verhoeven (unter Mitarbeit von Svenja A. Gülden), Besuchertexte, Lehren und Lieder des Neuen Reiches; Teil 2: Eva Gervers, Zeichnungen von Besuchern des Neuen Reiches; Teil 3: Youssef Ahmed Mohamed, Texte und Zeichnungen aus islamischer Zeit (The Asyut Project 15), Wiesbaden 2020).
  • Verhoeven, Ursula, Von Pyramiden und Papyrusrollen – Gedanken zur Materialität im Alten Ägypten, in: H. Kalthoff, T. Cress, T. Röhl (Hgg.), Materialität. Herausforderungen für die Sozial- und Kulturwissenschaften, München 2016, 289-302 (mit 7 Abb.), bes. 299-301 mit Abb. 7.
  • Verhoeven, Ursula, Iterationen im altägyptischen Schreiberalltag, in: E. Cancik-Kirschbaum & A. Traninger (Hgg.), Wissen in Bewegung. Institution – Iteration – Transfer (Episteme in Bewegung 1), Wiesbaden 2015, 133-153, bes. 143-150 mit Abb. 7.2-3 und Farbabb. 7.4.
  • Verhoeven, Ursula, Literatur im Grab - Der Sonderfall Assiut, in: G. Moers et al. (Hgg.), Dating Egyptian Literary Texts (Lingua Aegyptia - Studia Monographica 11), Hamburg 2013, 139-158 (mit 6 Farbtf.).
  • Gervers, Eva, Die Bildgraffiti des Neuen Reiches in Grab N13.1 in Assiut/Mittelägypten (Magisterarbeit Mainz, Mai 2013).
  • Verhoeven, Ursula, The New Kingdom Graffiti in Tomb N13.1: An Overview, in: Jochem Kahl, Mahmoud El-Khadragy, Ursula Verhoeven & Andrea Kilian (Hgg.), Seven Seasons at Asyut. First Results of the Egyptian-German Cooperation in Archaeological Fieldwork. Proceedings of an International Conference at the University of Sohag, 10th-11th of October, 2009  (The Asyut Project 2), Wiesbaden 2012, 47-58, Tf. 1-4.
  • Verhoeven, Ursula, Tomb N13.1. New Kingdom Graffiti, in: J. Kahl, M. El-Khadragy, U. Verhoeven et al., The Asyut Project: Ninth Season of Fieldwork, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 41, 2012, 206.
  • Verhoeven, Ursula, Tomb N13.1: The Teaching of Amenemhat I (§1-2) on pillar B, in: J. Kahl, M. El-Khadragy, U. Verhoeven et al., The Asyut Project: Ninth Season of Fieldwork, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 41, 2012, 206-209 mit Fig. 21.
  • Kahl, Jochem, Regionale Milieus und die Macht des Staates im Alten Ägypten. Die Vergöttlichung der Gaufürsten von Assiut, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 41, 2012, 163-188, pl.17-19.
  • Kahl, Jochem, Der Gräberberg von Assiut und seine Schätze, in: Ägyptens Schätze entdecken - Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin, Historisches Museum Speyer (Hg.), München - London - New York 2012, 130-145, bes. 144-145 mit Abb. 13-14.
  • Verhoeven, Ursula, Ägyptens Texte entdecken, in: Ägyptens Schätze entdecken - Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin, Historisches Museum Speyer (Hg.), München - London - New York 2012, 101-107, bes. 107 mit Abb. 5.
  • Verhoeven, Ursula, „Gekommen, um die schönen Tempel zu sehen“ – Schreiber und Priester in Assiut zwischen 1550 und 1100 v. Chr., in: M. Eldamaty (Hg.), Assiut-Tag, Ägyptische Kulturabteilung und Studienmission, Berlin 2012, 32-35 (deutsch und arabisch).
  • Verhoeven, Ursula, Tomb N13.1: more literary graffiti and the title „scribe of the estate of jackals', in: J. Kahl et al., The Asyut Project: Seventh Season of Fieldwork (2009), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 39, 2010, 196-198.
  • Verhoeven, Ursula, Von der „Loyalistischen Lehre“ zur „Lehre des Kairsu“ - Eine neue Textquelle in Assiut und deren Auswirkungen, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 136/1, 2009, 87-98 mit Tf. XII.
  • Verhoeven, Ursula, Die wie Kraniche balzen. Männerphantasien zur Zeit Amenhoteps III. in Assiut, in: D. Kessler et al. (Hgg.), Texte - Theben - Tonfragmente. Festschrift für Günter Burkard (Ägypten und Altes Testament 76), Wiesbaden 2009, 434-441 mit 4 Abb.
  • Kahl, Jochem & Ursula Verhoeven, „Dornröschen“ ist erwacht, Das neu entdeckte Grab N13.1 in Assiut, in: Sokar 16, 2008, 68-73 mit Abb. 1-10.
  • Verhoeven, Ursula, Literarische Graffiti in Grab N13.1 in Assiut/Mittelägypten, in: P. Kousoulis, N. Lazaridis (Hgg.), Proceedings of the Tenth International Congress of Egyptologists, University of the Aegean, Rhodos 22-29 May 2008 (Orientalia Lovaniensia Analecta 241), Leuven – Paris – Bristol, CT 2015, 1569-1576.
  • Verhoeven, Ursula, Graffiti from the New Kingdom in Tomb N13.1, in: J. Kahl et al., The Asyut Project: Fourth Season of Fieldwork (2006), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 36, 2007, 85-86 with pl. 5.
  • Kahl, Jochem, Ancient Asyut. The First Synthesis after 300 Years of Research (The Asyut Project 1), Wiesbaden 2007, 79-82. with fig. 32, 57-62, pl. 5a-b, 14a.
  • Kahl, Jochem, Ein Zeugnis altägyptischer Schulausflüge, in: Göttinger Miszellen 211, 2006, 25-29.