Curriculum vitae

Philologe, Papyrologe, Paläograph, Religionswissenschaftler – Karl Preisendanz ist einer jener Gelehrter, bei denen schon die genauere Zuordnung zu einer bestimmten Profession einige Schwierigkeiten bereitet. Nicht einmal die an sich schon etwas sperrige Formulierung des ihm 1937 erteilten Lehrauftrags an der Universität Heidelberg vermochte seine Interessen vollständig abzudecken: "Paläographie und Papyruskunde, Schrift- und Buchgeschichte im Zusammenhang mit der Gelehrtengeschichte des Oberrheins". Die Aufzählung seiner zahlreichen Arbeitsfelder kennzeichnet aber zugleich die wissenschaftliche Vielseitigkeit des gebürtigen Badeners, der sich überdies durch eine staunenswerte Produktivität auszeichnete.

Es war die antike griechische Literatur, die den am 22. Juli 1883 in Ellmendingen nahe Pforzheim in einem Lehrerhaus geborenen Karl Leberecht Reinhard Preisendanz schon als Schüler fesselte und seinen weiteren Berufs- und Lebensweg bestimmte. Folgerichtig nahm er nach seinem Abitur in Karlsruhe 1902 ein Studium der Klassischen Philologie, Germanistik und Philosophie in Heidelberg auf, wo er auch – nach einem Abstecher nach München – am 18. Juli 1906 mit einer Arbeit über Seneca promoviert wurde. Schon im Jahr machte er sein Staatsexamen und trat nach Abschluss seines Studiums in den badischen Schuldienst ein, zuletzt als Gymnasialprofessor, bevor 1916 endgültig ausschied. Doch schien ihn diese Tätigkeit nicht wirklich auszufüllen, denn von 1910 bis 1914 ließ er sich für wissenschaftliche Arbeiten beurlauben und unternahm ausgedehnte Forschungsreisen nach England, Frankreich, Griechenland, Italien, Holland und in die Schweiz. Unterbrochen wurden diese Jahre intensiven wissenschaftlichen Arbeitens durch den Ersten Weltkrieg, an dem Preisendanz bis 1915 teilnahm. 1916 wurde ihm dann die Leitung der Handschriftenabteilung der Großherzoglich Badischen Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe angeboten. 1934 gelangte er auf die Stelle des Direktors; ein Karriereschritt nicht ohne einen bitteren Beigeschmack, war doch sein Amtsvorgänger aufgrund „nichtarischer“ Abkunft schon im April 1933 entlassen worden und Preisendanz selbst im Mai der NSDAP beigetreten. Allerdings kehrte er schon 1935 Karlsruhe den Rücken. Mit der Ernennung zum Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, mit dem zugleich ein Lehrauftrag für Paläographie und Papyrologie verbunden war, hatte er dann den Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn erreicht.

Seine langjährigen wissenschaftlichen Arbeiten, die er auch nach Übernahme seiner neuen Position mit fast ungeminderter Schaffenskraft fortsetzte, wurden 1937 mit der Ernennung zum Honorarprofessor gewürdigt. Zwei Jahre später wurde er erster Direktor der von ihm selbst gegründeten Lehrstätte für Schrift- und Buchgeschichte (Paläographisches Institut) der Universität Heidelberg und vertrat während des Krieges den Heidelberger Lehrstuhl für Klassische Philologie. Gleichzeitig gab er in den Jahren 1935-1941 die „Neuen Heidelberger Jahrbücher“ heraus und die Heidelberger Akademie der Wissenschaften nahm ihn 1939 in ihre Reihen auf. Aufgrund seiner Parteimitgliedschaft und der zeitweiligen Tätigkeit als Blockleiter im heimischen Heidelberger Vorort Rohrbach gehörte Preisendanz zu jenen, die von der amerikanischen Besatzungsmacht sofort entlassen wurde. 1949 erfolgte die Wiedereinsetzung als Bibliotheksrat und Leiter der Handschriftenabteilung, eine Position, die er bis zu seinem Ruhestand 1951 innehatte. Auch nach seiner Pensionierung noch wissenschaftlich äußerst produktiv, starb Karl Preisendanz am 26. April 1968 in Heidelberg.