Projektbeschreibung

Der Nachlass von Karl Preisendanz wurde in den Jahren 1970 und 1982 von den Erben an die Universitätsbibliothek Heidelberg übergeben. Er wird dort unter der Signatur Heid. Hs. 3763 aufbewahrt.

Insgesamt umfasst der Nachlass ca. 19 lfd. Meter, von denen etwa 7 lfd. Meter auf Sonderdrucke, Werkmanuskripte, Arbeitsmaterialen und Lebensdokumente fallen, ca. 0,5 m auf Fotoplatten, Diapositive und Ähnliches und ca. 11,5 m auf Briefe.

Insbesondere die etwa 12.000 bis 15.000 Briefe umfassende Korrespondenz, die Preisendanz als Privatmann, Wissenschaftler und Bibliotheksdirektor führte, stellt eine wichtige Quelle zur Person, vor allem aber zur Zeit- und Bibliotheksgeschichte dar. Ihr zeitlicher Schwerpunkt liegt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, enthalten ist in einem erheblichen Umfang auch die ausgehende Post. Preisendanz korrespondierte mit nahezu allen Direktoren der großen deutschen Bibliotheken, denen er zum Teil freundschaftlich verbunden war, darunter vor allem mit der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und der Universitätsbibliothek Tübingen.

Die Korrespondenz ist bereits alphabetisch und chronologisch grob vorgeordnet, aber erst zu geringen Teilen erschlossen. Zeitgeschichtlich bedeutsam dürften insbesondere der in die Jahre 1933 bis 1945 zurückgehende Briefwechsel sein, in dem sich Preisendanz und seine Briefpartner teilweise sehr deutlich zu Vorgängen und Personen der Zeit äußern. Dies gilt im gleichen Maße für die umfangreichen Unterlagen zum Entnazifizierungsprozess von Preisendanz, die zahlreiche, zum Teil durchaus kontrovers geführte Briefwechsel und Entlastungsgutachten enthalten und die durch die für die Jahre 1945-1946 erhaltenen Tagebücher ergänzt werden.

Unter den sonstigen Bestandteilen des Nachlasses sind zum einen ca. 1.400 Sonderdrucke und Zeitungsausschnitte zu erwähnen, darunter der wohl größte Teil der vielen kleinen, bislang weitgehend unbekannten Veröffentlichungen, die ein eindrückliches Zeugnis seines breiten intellektuell Horizontes bilden und auch eigene literarische Arbeiten mit einschließen. Hinzu kommen zahlreiche Konvolute mit Materialen und Notizen zu den verschiedenen Arbeitsgebieten von Preisendanz sowie einige unpublizierte Vorträge und Studien.

Ein Teil des Nachlasses wurde bereits in den Jahren 1987-1990 im Rahmen eines DFG-Projektes unter dem Titel „Die Erschließung historischer Quellen zur Geschichte des Buch- und Bibliothekswesens“ aufgearbeitet. Fachliche Begründung des Projektes war einerseits die herausragende Stellung der Heidelberger Bibliothek im deutschen Bibliothekswesen, andererseits die überaus reiche Quellenlage. Das Vorhaben stand allerdings insofern unter einem ungünstigen Stern, als es noch während der Laufzeit zu einem Mitarbeiterwechsel kam und die letzte Bearbeiterin vorzeitig verstarb. Aus diesem Grund konnte das Projekt nicht in der vorgesehenen Weise abgeschlossen werden, zudem wurde dabei – zumal unter den genannten inhaltlichen Vorgaben – nur ein kleinerer Teil des Preisendanz-Nachlasses erfasst.

Im Rahmen eines weiteren, von September 1998 bis August 2000 laufenden Projektes zur Erschließung des Nachlasses Preisendanz im Rahmen einer ABM-Maßnahme, wurden vor allem die umfangreichen Arbeitsmaterialien sowie die im Nachlass befindlichen Lebensdokumente vorsortiert und mit vorläufigen Inventarnummern versehen. Einen Großteil der Arbeit beanspruchte dabei die bibliographische Erfassung der Sonderdrucke und Zeitungsausschnitte sowie der noch von Preisendanz selber nach dem Pertinenzprinzip den Arbeitsmaterialien zugeordneten ca. 750 Briefe. Insgesamt wurden die verschiedenen, auf ca. 260 Einzelkonvoluten verteilten Unterlagen vollständig in Listen erfasst.

Die Ergebnisse des DFG-Projektes 1987-1990 sind Benutzern bislang nur in Form eines Inventarbandes zugänglich, der allein in der UB Heidelberg einsehbar ist. Zum Erschließungsprojekt 1998-2000 liegen bislang nur mehrerer Worddateien bzw. entsprechender Ausdrucke vor, die allerdings nur intern genutzt werden können.

Ziel des Projektes ist es, den kompletten Nachla datenbankgestützt zu verzeichnen und wissenschaftlich zu erschließen. Durch die sachgerechte, alterungsbeständige Verpackung der verschiedenen Materialien soll der Nachlass auch konservatorisch gesichert werden.

Die Verzeichnung der Akten wird in dem nationalen Nachweisinstrument für Nachlässe und Autographen „Kalliope“ vorgenommen werden.

Die erweiterte Formalerschließung erfolgt beispielsweise im Falle von Korrespondenzen als Aufnahme von Schreiber und Empfänger bzw. im Falle der Manuskripte von Titel, Ort, Datum, Umfang und Ausreifungsgrad der Akte. Daneben wird eine stichwortartige Inhaltsangabe des Schreibens bzw. des Manuskriptes erfolgen oder in einigen Fällen vollständige oder Teil-Transkriptionen erstellt. Im Rahmen dieser Arbeiten ist auch die Verlinkung zwischen "Kalliope" und den auf den Servern der UB Heidelberg gespeicherten Digitalisaten durchgeführt. Grundlage der Katalogisierung in „Kalliope" sind die „Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen, Berlin - Wien 2010 (RNA)".

Die für die Digitalisierung zu wählenden Archivalien, wie z.B. Lebensdokumente, Briefe, Fundzeichnungen oder Photographien sollen im hauseigenen Digitalisierungszentrum in Auswahl digitalisiert und – unter Berücksichtigung urheberrechtlicher Vorgaben – online bereitgestellt werden. Dies erfolgt je nach Dokumenttyp entweder ebenfalls in der Bilddatenbank „HeidICON“ oder über das in der UB für die Digitalisierung von Hand- und Druckschriften etablierte Workflow-System „DWork“.

Alle im Projektverlauf erzielten Ergebnisse stehen zukünftig weltweit den Fachwissenschaftlern und der interessierten Öffentlichkeit zeit- und ortsungebunden zur Verfügung. Neben der Bereitstellung über Kalliope und HeidICON werden sie sie im Rahmen eines „Themenportal“ in der von der DFG-geförderten Virtuellen Fachbibliothek Altertumswissenschaften „Propylaeum“ gebündelt online präsentiert. Zur Kontextualisierung der Projektergebnisse sollen über dieses Portal auch Informationen zum Werk und zur Bedeutung von Karl Preisendanz sowie zur quellenkritischen Einschätzung des Nachlasses bereitgestellt werden. Die Eingabe der Daten erfolgt direkt von Heidelberg aus im Content Management System TYPO3 von Propylaeum.

Die Integration der Projektergebnisse in andere nationale und internationale Angebote, vor allem fachlich relevante Vernetzungsmöglichkeiten, z.B. mit anderen Projekten zur Erschließung von Archäologennachlässen, soll mit Nachdruck betrieben werden.